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Verhandlungsprofis achten auf ihre Stimme

Verhandlung StimmeMeine Reservierung im Zug ist verfallen und so habe ich nur noch einen Platz im Zugrestaurant bekommen. Auf der anderen Seite vom Gang sitzen sich ein Mann und eine Frau gegenüber. Auffallend ist die Verteilung der Redeanteile. ER redet praktisch ununterbrochen auf sie ein, selbst während er zwischendurch ein Stück Kuchen isst. Auch die Lautstärke entspricht dem Vortragsmodus. Der Mann ist über 50 und er sieht so aus, als wenn er von einem Geschäftstermin kommt. Er merkt offensichtlich nicht, wie sich die anderen Restaurantgäste mit Blicken amüsieren.

Dieses Erlebnis zeigt mir dreidimensional und in Farbe, wie wichtig es ist, sich etwas Know-how über moderne Hirnforschung anzueignen – auch wenn man kein Wissenschaftler ist oder sein will.

Was hat nun das Verhalten dieses Herrn mit dem aktuellen Wissensstand in der Hirnforschung zu tun? Das Steuern der Lautstärke in einem Gespräch ist Aufgabe des Großhirns. Deshalb empfinden wir Kinder oft als zu laut, weil sie erst lernen müssen, die Lautstärke zu kontrollieren. Auch Pfleger von Alzheimer-Patienten beobachten, dass es den Betreuten immer schwerer fällt, die Sprachlautstärke der jeweiligen Situation anzupassen, weil die Fähigkeiten des Großhirns nachlassen.

Wenn uns Gefühle übermannen, fällt es uns ebenfalls schwer, die Lautstärke angemessen einzustellen, weil unser Gehirn dann mit Wichtigerem zu tun hat. Was wichtig ist, entscheidet das Gefühlsgehirn, ohne uns vorher zu fragen. Das ist bei Ärger so, aber auch bei großer Freude und in Liebessituationen. Der Volksmund weiß seit langem, dass Liebe blind macht oder anders formuliert: wir voll fokussiert sind und nichts drumherum wahrnehmen. In meinem Beispiel hat sich ein archaischer Teil des Gehirns des Herrn dazu entschieden, dass nichts wichtiger ist, als die Frau gegenüber zu beeindrucken.

Emotionen in Verhandlungen können ebenfalls dazu führen, dass wir oder unser Gesprächspartner die Lautstärke nicht mehr kontrollieren können. Wenn jemand sehr auffällig seine Stimme kontrolliert, kann auch das ein Zeichen für starke Gefühle sein, die in ihm toben. Beobachten Sie sich einmal selber beim Verhandeln. Hören Sie sich laut oder schrill an, wenn Sie sich ärgern? Schnappt eventuell sogar Ihre Stimme über? Schaffen Sie es noch, zwischen Ihren Sätzen Luft zu holen? Fühlt sich Ihr Mund trocken an?

Bei wichtigen Verhandlungen sollten Sie jemanden dabei haben, der die emotionalen Signale der Anwesenden beobachtet. Wer redet gerade am Anfang sehr viel, weil damit emotionaler Druck abgebaut werden kann? Gewiefte Verhandler nutzen diesen Umstand und sorgen dafür, dass am Anfang der Verhandlungspartner (sich um Kopf und Kragen) redet: „Erzählen Sie mal, warum wir Ihr Produkt kaufen sollten …“

Wir sind unseren Stimmungen aber nicht hilflos ausgeliefert. Die gute Nachricht ist, dass wir die meisten Situationen vorbereiten und üben können. Wir nutzen unser langsames Großhirn in der Vorbereitung, um dann für die blitzartigen Situationen in der Verhandlung gerüstet zu sein. Auch für noch nicht bekannte Situationen ist so ein Notfallkoffer nützlich. Wenn wir uns beobachten und dann wissen, bei welchen Sprüchen des Verhandlungs“partners“ wir empfindlich reagieren, können wir für das nächste Mal den Umgang damit üben. Es macht sehr viel Freude, auch emotional gut vorbereitet in eine Verhandlung zu gehen und dann virtuos auf diesem Klavier zu spielen.

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